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Das LeseZeichen empfiehlt Bücher

Mit 25 Lesetipps führten wir ab dem 30. März 2020 auf den Welttag des Buchs am 23. April hin. Dies war unsere zweite Online-Aktion um auch während der coronabedingten veranstaltungslosen Zeit mit unseren Zuhörerinnen und Zuhörern in Kontakt zu bleiben. Wir wollten wir Ihnen Bücher zum selbst Lesen vorschlagen, die wir auch gerne im Rahmen einer Lesung vorgestellt hätten. Der Vorteil dieser Onlineaktion war, dass wir jeden Tag ein Buch auswählen und vorstellen konnten. Eine tägliche Lesung wäre nicht möglich gewesen.

Raimund Gründler, der Kurator des LeseZeichens, wechselte bei seiner Auswahl zwischen Sachbüchern und Romanen ab. Zwei Kinderbücher als Vorleseempfehlung waren dabei und ein Band mit wunderschönen Gedichten. Die Empfehlungen sollten so abwechslungsreich wie das Programm des LeseZeichens sein.
Hier stehen die 25 empfohlenen Bücher nebeneinander im Regal. Von Karen Duve und Helge Hesse über Lutz Seiler bis hin zu Denis Scheck. Danke an alle, die diese Aktion begleitet und kommentiert haben. Zu manchen Büchern entwickelte sich ein reger Austausch in unseren Kanälen in den sozialen Medien.
Auf dieser Seite können Sie die Tipps nochmals nachlesen.

Tipp Nr. 25 - 23.04.2020 - Welttag des Buches
Denis Scheck - Schecks Kanon
                                 - Die wichtigsten Werke der Weltliteratur

Welcher Lesetipp passt besser zum Welttag des Buches als ein Buch, das für sich in Anspruch nimmt, die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur vorzustellen. Wir empfehlen Ihnen deshalb heute „Schecks Kanon“ von dem bekannten Literaturkritiker und Moderator Denis Scheck. Er hat die aus seiner Sicht  100 wichtigsten Werke der Weltliteratur zusammengestellt.

Einen absoluten Gradmesser für den Wert oder die Bedeutung von Büchern gibt es nicht. Deshalb ist die Auswahl immer eine persönliche Entscheidung. Wobei Scheck im Forward ein interessantes Kriterium formuliert: „Es gibt in meinen Augen nur einen echten Goldstandard in der Literatur: Zur Weltliteratur zählt für mich ein Werk dann, wenn es meinen Blick auf die Welt nachhaltig verändert.“

Und so führt die literarische Reise von erwarteten Werken wie „Krieg und Frieden“, „Tod auf dem Nil“ oder „Warten auf Godot“ zu Überraschungen wie „Tim und Struppi“. Jedes Buch stellt der Autor – oder würde man besser sagen der Kurator seiner Sammlung – in launigen und persönlichen Worten vor. Sollte der Leser das jeweilige Buch noch nicht kennen, gewinnt er einen Eindruck. Gleichzeitig begründet Scheck, wieso er das eine Buch ausgewählt hat und nicht ein anderes der gleichen Kategorie oder des selben Autors. Und so gewinnen die Leserinnen und Leser im Laufe der Lektüre weit über 100 Bücher Tipps. Und dies ist der zweite Grund (neben dem Welttag des Buches) für die Empfehlung am heutigen Tag.

Mit diesem 25. Lesetipp endet die Serie der Lesezeichen Lesetipps. Wir haben Ihnen ganz unterschiedliche Bücher vorgeschlagen und damit auch unterschiedliche Interessen berücksichtigt. Sollten Ihnen diese Tipps nicht ausreichen, haben Sie nun noch zahlreiche Anregungen aus berufenem Munde. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen

Tipp Nr. 24 - 22.04.2020
Dave Goulson - Wildlife Gardening
                                 - Die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu verändern

Die Sachbücher in dieser Reihe der Lesetipps befassen sich meist mit historischen oder politischen Themen. Da fällt "Wildlife Gardening" von Dave Goulson auf den ersten Blick aus dem Rahmen. Aber schon der Untertitel „die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu retten“ verrät, dass auch dieses Buch nicht ausschließlich als reizvolle und sehr gut geschriebene Anleitung für Hobbygärtner zu verstehen ist. Dieses es auf alle Fälle auch. Und man braucht nicht einmal einen großen Garten. Viele Tipps lassen sich im kleinsten Garten umsetzen und manche sogar auf einem Balkon.

Alle Informationen und Ratschläge sind aber stets vor dem Hintergrund von zwei dramatischen Veränderungen geschrieben, die wir derzeit erleben. Dem dynamisch fortschreitenden Klimawandel und dem rasend schnellen Verschwinden der Insekten. Der britische Biologe Goulson zeigt, wie wir im eigenen Garten das Artensterben stoppen können. Und er deckt auf, wie wir an vielen Stellen zu Selbstversorgern werden können. Pestizidfrei und CO2-neutral. Mit Katzenminze und Beinwell für die Bienen, mit Holunder- und Brombeersträuchern für die Vögel, mit Bohnen und Blumenkohl für uns selbst. Gleichzeitig erzählt er so lebendig und charmant von seinem eigenen Garten in Sussex, dass man sich am liebsten sofort die grüne Schürze unterbinden würde. Ein Lesegenuss für alle Gartenfreunde. Und eine  Fundgrube, die bei Diskussionen über Klimawandel und Insektensterben mehr als die üblichen Argumente kennen wollen.

Tipp Nr. 23 - 21.04.2020
Dörte Hansen - Altes Land

Unser heutiger Lesetipp führt hinaus aufs Land. Viele Romane und Erzählungen beschreiben in mehr oder weniger bunten Farben die Veränderungen auf dem flachen Land, fernab der Metropolen und anziehungsstarken Städten. Sie erzählen von der Abwanderung der Jugend und den Veränderungen der Landwirtschaft. Leerstehende Gasthäuser sind ein beliebtes Bild. Ein Symbol für das Sterben der Dörfer.

Selten gelingt es einem Autor aber, diese Geschichten vom Verschwinden einer bäuerlichen Welt mit so viel Wärme zu erfüllen wie dies in der „Mittagsstunde“ der Fall ist. Und Vielleicht liegt es daran, dass Dörte Hansen Verlust und Abschied mit Neubeginn verbindet. Und vielleicht liegt es daran, dass Sönke Feddersen, der Gastwirt in dem nordfriesischen Dorf Brinkebüll, stur hinter seinem Tresen durchhält.

In jeder Zeile des Romans merkt man, dass die Autorin das Land ihrer Handlung kennt und liebt. Sie ist in Nordfriesland aufgewachsen und lebt heute mit ihrer Familie wieder dort. Brinkebüll ist ein fiktiver Ort. Aber man kann sicher sein, dass sich in ihm viel von dem widerspiegelt, was Dörte Hansen in sehr realen Orten erlebt und vor allem beobachtet hat. Und so verbindet sich zwischen den Buchdeckeln viel Sympathie mit einer guten Portion Ironie. Es lohnt sich, diese zu öffnen und das Dorf und seine Menschen zu entdecken.

Tipp Nr. 22 - 20.04.2020
Alice Hasters - Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen
                          
aber wissen sollten

Lesetipp 22 befasst sich mit einem Thema, das leider nach wie vor aktuell ist. Um so wichtiger ist dieses Buch von Alice Hasters. „Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ ist der nicht ganz einfache Titel. Und genauso ist das Buch keine leichte Kost. Dies betrifft nicht die Form. Es liest sich sehr flüssig. Aber der Inhalt dürfte manche Leserinnen und manchen Leser doch nachhaltig beschäftigen.

Eindringlich und geduldig beschreibt die 1989 in Köln geborene Journalistin, wie Rassismus ihren Alltag als Schwarze Frau in Deutschland prägt. Wie es für sie eben nicht selbstverständlich ist, an alle Orte zu gehen. Was Fragen wie „Darf ich mal deine Haare anfassen?“ oder „Kannst du Sonnenbrand bekommen?“ bei ihr auslösen. Sie sind vielleicht gar nicht böse gemeint. Aber sie grenzen aus. Und dann natürlich die Situation, in der sie wildfremde Menschen automatisch auf Englisch ansprechen. Wer schwarz ist, kann kein Deutscher sein, steht hinter diesem Verhalten. Und spätestens jetzt wird klar, dass Rassismus kein Problem an rechten Rand der Gesellschaft ist.

An vielen Stellen des Buches wird deutlich, wie fließend die Übergänge von gedankenlos übernommenen Denkmustern zu Vorurteilen sind. Und wie schnell sich daraus rassistisches Verhalten entwickelt. Ein lesenswertes Buch, das nachdenklich macht und anregt, seine eigenen Gedankengänge und Verhaltensweisen einmal auf den Prüfstand zu stellen.

Tipp Nr. 21 - 19.04.2020
Stefan Schlenker - Waudi Wau und der Streik der Tiere

Mit „Waudi Wau und der Streik der Tiere“ von Stefan Schlenker stellen wir heute nochmals ein Kinderbuch vor, ein wunderschönes Vorlesebuch. Es ist ein Buch, das der Mehrheit unserer Leserinnen und Leser neu sein dürfte. Also ein Tipp für eine Zeit, in der der Bedarf an neuen und zusätzlichen Lektüren groß ist.  Ebenso geeignet ist das Buch für Kinder, die schon eigenständig etwas lesen.

Die Geschichte ist originell: Die Tiere auf einem Bauernhof, angeführt von schon etwas älteren Hund Waudi, sind sauer. Immer heißt es „Blöder Hund“ oder „Dumme Kuh“. Wer hat eigentlich erlaubt, dass Tiere immer als Schimpfworte herhalten müssen? Dazu haben sie keine Lust mehr. Auch Kinder könnten sich schließlich benehmen und deshalb verpassen sie ihnen einen Denkzettel. Sie treten in einen Streik und mobilisieren alle Tiere  in der kleinen Stadt. Streik der Tiere, das heißt: plötzlich gibt es keine kleinen Tiere mehr in der Stadt. Und das trifft die Kinder natürlich besonders. Denn die kleinen Tiere sind ja so süß und die haben sie so lieb. Dabei dürfen die großen und kleinen Leser durchaus hoffen, dass Stefan Schlenker ein gutes Ende für seine liebenswürdige Geschichte um Zuneigung und Glück, aber auch um Enttäuschung und Wut gefunden hat.

Falls es mit dem Vorlesen nicht klappt, gibt es die Möglichkeit, das Buch direkt vom Autor vorlesen zu lassen:

Tipp Nr. 20 - 18.04.2020
Theo Waigel - Ehrlichkeit ist eine Währung

Unser heutiger Lesetipp sind die Erinnerungen eines Politikers, der entscheidende Jahre unseres Landes maßgeblich mitgestaltet hat.

Theo Waigel war von 1989 – 1998 Bundesminister der Finanzen. 30 Jahre war er Mitglied des Bundestags und 10 Jahre Vorsitzender der CSU. In seinen Erinnerungen lässt Waigel die Leserinnen und Leser teilhaben, wie es zu zentralen Entscheidungen kam und welche Überlegungen und Überzeugungen ihn leiteten. Währungsunion, Treuhand und Grundsatzbeschlüsse zur gemeinsamen europäischen Währung sind die wichtigsten Stichworte aus seiner Ministerzeit.

Menschen, die ihn auf seinem Weg begleitet und vor allem in den Anfängen auch unterstützt haben, werden vorgestellt.  Zahlreiche erfolgreiche Momente und Begegnungen mit bedeutenden Persönlichkeiten werden beschrieben. Aber auch Niederlagen und Enttäuschungen spart Waigel nicht aus. Nur zu deutlich wird an der einen und anderen Stelle, wie schmutzig das politische Geschäft sein kann und zu welchen Mitteln Menschen greifen können, wenn es um Macht und politische Ämter geht.

Berührend sind die Seiten, auf denen der erfolgreiche Politiker über seinen von ihm so verehrten älteren Bruder Gustl schreibt, der im Herbst 1944 fiel. Der Verlust begleitete die Familie ein Leben lang.

Tipp Nr. 19 - 17.04.2020
Lutz Seiler - Stern 111

Der heutige Lesetipp ist sicher kein Geheimtipp. „Stern 111“ steht im Moment auf allen Bestsellerlisten und wird von vielen Kritikern empfohlen. Lutz Seiler gelang wohl das Buch dieses Frühjahrs. Vor wenigen Tagen wurde es mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2020 ausgezeichnet. Kaum ein Kommentar stellte ein Fragezeichen hinter diese Entscheidung. Schade nur, dass die Preisverleihung nach Absage der Buchmesse unter Ausschluss eines direkten Publikums nur im Rahmen einer Radiosendung stattfinden konnte.

Und so will auch das LeseZeichen an diesem großartig geschriebenen Panorama der ersten Nachwendejahre in Ost und West nicht vorbei gehen. In Seilers Roman erscheinen die Monate nach dem Mauerfall in Berlin als einer Zeit der Möglichkeiten. Mit viel Wärme schildert er, wie eine Gruppe junger Frauen und Männer in diesen unruhigen Zeiten ihr Leben in die eigenen Hände nimmt.

Zum zweiten Mal ist Lutz Seiler, dem 1963 in Gera geborenen Schriftsteller, ein großer Roman gelungen. 2014 wurde er für sein Werk „Kruso“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Dieses ist im Sommer 1989 angesiedelt, also genau vor der Öffnung der innerdeutschen Grenze. Mit den bewegten Zeiten rund um den Mauerfall hat der Autor wohl sein Lebensthema gefunden. Die Leserinnen und Leser folgen ihm dabei gerne.

Tipp Nr. 18 - 16.04.2020
Stefan Weinfurter - Canossa - Die Entzauberung der Welt

Mit Lesetipp Nummer 18 „Canossa – die Entzauberung der Welt“ von Stefan Weinfurter treten wir tief ins Mittelalter ein. „Den Gang nach Canossa antreten“ - diese Redewendung ist fest im allgemeinen Sprachgebrauch verankert. Sie steht für einen Bussgang oder für die Notwendigkeit, Abbitte zu leisten. Was verbirgt sich aber hinter dieser Formulierung? Es war einer der dramatischsten Konflikte des gesamten Mittelalters, der vom Anspruch des Papstes auf den Gehorsam des Kaisers geprägt war. Als Papst Gregor VII. im Jahre 1076 den Kaiser mit dem Kirchenbann belegt, entbindet er damit alle Untertanen des Kaisers ihrer Treueverpflichtungen und stellt seine Herrschaft in Frage. Nur durch den berühmt gewordenen Bußgang nach Canossa kann Kaiser Heinrich IV. sich retten. Rund um die Beschreibung dieses bedeutenden Ereignisses eröffnet einem dieses Buch eine kompakte Deutung der Welt des Mittelalters.

Stefan Weinfurter lehrte über viele Jahre als Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg. Er gilt als Meister der historischen Erzählung. Seine lebendig geschriebenen Bücher fesseln den historisch interessierten Laien. Und gleichzeitig genügen sie hohen wissenschaftlichen Ansprüchen. „Canossa“ ist bereits vor etlichen Jahren erschienen. Bis heute ist es aber eines der schönsten Beispiele einer fundierten Geschichtsschreibung für ein breites Publikum. Und deshalb empfehlen wir es zur Lektüre.

Tipp Nr. 17 - 15.04.2020
Scholem Alejchem - Panik im Schtetl

Gestern stellten wir ein Buch vor, das sich mit den Schrecken der Konzentrationslager und der Vernichtung von sechs Millionen Juden in Europa befasst. Mit ihrer Ermordung wurde auch eine über Jahrhunderte gewachsene ganz eigene Kultur in vielen Ländern Europas ausgelöscht. Eine Facette verlorenen jüdischen Lebens in Osteuropa wird in dem Buch wieder lebendig, das wir heute vorstellen.

Der 1859 in Kiew geborene Scholem Alejchem gilt als die literarische und journalistische Stimme der osteuropäischen Juden. Mit seinen Erzählungen über ihr Leben leistete er einen bedeutenden Beitrag zur Bewahrung ihrer Kultur. „Panik im Schtetl“ ist ein wunderschönes Beispiel hierfür. Erfreulicherweise liegt es seit wenigen Jahren in einer neuen, sehr guten und lebendigen Übersetzung vor. Alejchem baut eine unnachahmliche Nähe zu den Menschen in den jüdischen Siedlungen, den Schtetl-Bewohnern und somit zum »einfachen Volk« auf. Dabei gelingt eine unnachahmliche Mischung aus verklärtem Blick und ironischer Beschreibung. In jeder Zeile spürt man aber vor allem die große Sympathie, die er für die großen und kleinen Helden seiner Erzählungen empfindet. Und gleichzeitig vermittelt er eine Nähe, in der die Leserinnen und Leser sich beinahe selbst als Teil dieser lebenslustigen und zugleich vom jüdischen Volksschmerz geprägten Gemeinschaft wahrnehmen können.

Tipp Nr. 16 - 14.04.2020
Hédi Fried - Fragen, die mir zum Holocaust gestellt werden

Mit dem Buch "Fragen, die mir zum Holocaust gestellt wurden" wenden wir uns dem schrecklichsten Kapitel unserer Geschichte zu. Hédi Fried, eine Überlebende des Rassenwahns, beantwortet Fragen, die sich viele von uns vielleicht gestellt haben. Oder, die sie nie zu stellen wagten.
1924 an der Theiß im rumänisch-ungarischen Grenzgebiet geboren, überlebte Fried die Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen. Nach der Befreiung von Auschwitz konnte sie bereits 1945 nach Schweden ausreisen. Dort lebt sie bis zum heutigen Tag. Ihr ganzes Leben lang verwendete sie viel Energie, um der jungen Generation Zeugnis über den Holocaust zu geben. Unzählige Veranstaltungen führte sie an Schulen und Universitäten durch. Ihren Zuhörern machte sie dabei immer wieder klar: „Es gibt keine dummen  oder verbotenen Fragen, nur Fragen, auf die es keine Antworten gibt.“

Heute gehört sie zu den letzten Überlebenden der Konzentrationslager und damit zu den letzten Zeitzeugen. Damit aber auch kommende Generationen noch Antworten oder zumindest Erklärungen auf Fragen bekommen, hat Hédi Fried 2017 in Schweden ein kleines Büchlein veröffentlicht. Sie hat die Fragen zusammengestellt, die  sie am häufigsten beantworten musste. Und sie  beantwortet sie. Oder sie erklärt, wieso es keine Antwort gibt. Nun liegt auch die deutsche Ausgabe vor. Die Offenheit, mit der die Autorin die Leserinnen und Leser an ihren Erinnerungen und Empfindungen teilhaben lässt, gibt diesem Buch seine tiefe, berührende Wirkung.

Tipp Nr. 15 - 13.04.2020
Eva Sichelschmidt - Bis wieder einer weint

Mit „Bis wieder einer weint“ von Eva Sichelschmidt stellen wir heute einen klassischen, aktuellen Roman vor, der vor wenigen Wochen erschienen ist. Die Autorin erzählt die Geschichte einer Unternehmerfamilie am Rande des Ruhrpotts in der Zeit der alten Bundesrepublik. Aufstieg und Niedergang, Erfolge und Tragödien liegen nahe beieinander.

Die besondere Kraft gewinnt der Roman durch seine Ansiedlung auf zwei Ebenen. Im Wechsel der Kapitel werden parallel zueinander zwei Handlungsstränge aus zwei Perspektiven erzählt. Handlungsstrang eins erzählt aus Sicht des Beobachters das Leben von Wilhelm Rautenberg, des anfänglich erfolgreichen Unternehmers und smarten Junggesellen. Schwer lasten auf ihm die Schatten des mit Müh und Not Krieges mit anschließender Gefangenschaft. Ebene zwei, in der Ich- Erzählung geschrieben, ist die Geschichte seiner Tochter. Ihr Leben ist geprägt vom frühen Tod der Mutter, zehn Monate nach ihrer Geburt.

Vor dem Hintergrund der privaten Ereignisse entfaltet der Roman ein vielschichtiges Panorama der sechziger und siebziger Jahre, mit allen Hoffnungen, aber auch mit allen gesellschaftlichen Zwängen. Nahezu mit Händen greifbar wird manchmal (vor allem an den geschilderten Sonntagen) die Enge, die die Protagonisten gibt.

Tipp Nr. 14 - 12.04.2020
Iwan-Michelangelo D'Aprile - Fontane - Ein Jahrhundert in Bewegung

Dieser Lesetipp wird am Ostersonntag 2020 ins Netz gestellt. Einem Osterfest in einer sehr bewegten Zeit, wie es noch keiner von uns erlebt hat. Bewegt, unruhig und unsicher, wenn auch aus ganz anderen Gründen, war auch das Osterfest 1848. Theodor Fontane hat dies in seinem Gedicht „Schleswigs Ostertag 1848“  beeindruckend festgehalten.

Unser heutiger Lesetipp gilt deshalb ihm und wir empfehlen die großartige Biografie „Fontane – Ein Jahrhundert in Bewegung“ von Iwan-Michelangelo D‘Aprile. Das Buch ist im vergangenen Jahr aus Anlass des 200. Geburtstags von Theodor Fontane erschienen. Wie der Titel schon sagt ist es weit mehr als eine klassische Biografie. Der Potsdamer Literaturwissenschaftler und Historiker bettet den Lebenslauf des bedeutenden Schriftstellers in sein Jahrhundert ein und zeichnet ein sehr lesenswertes Gesamtbild einer Gesellschaft im Wandel im Zeitalter der Moderne. Gleichzeitig entwirft er ein vielschichtiges Portrait eines Menschen, der sich seinen Weg vom Apotheker zum erfolgreichen Romancier und Journalisten über viele Rückschläge erkämpfen musste.

Die Vorstellung dieses Buchs ist auch eine Verbindung zu unserem sehr schönen Lesesalon am 1. Februar 2020. Mit Texten von Fontane startete das LeseZeichen in das Lesejahr 2020. Leider war dies bisher die einzige Veranstaltung des Jahres. Wir hoffen, dass wir bald wieder in unser Programm einsteigen können.

Tipp Nr. 13 - 11.04.2020
Andrea Camilleri - Die Form des Wassers - Kommissar Montalbano

In ”Die Form des Wassers“ löst der sizilianische Kriminalkommissar Salvo Montalbano 1994 seinen ersten Fall, den Mord an einem Politiker.
Wir haben diesen Krimi aber nicht als einzelnes Buch hier in die Lesetipps aufgenommen. Vielmehr empfehlen wir Ihnen die gesamte Montalbano-Reihe des italienischen Autors Andrea Camilleri. Zusätzlich zu den 27 Fällen, die jeweils ein Buch füllen, erschienen noch sechs ebenfalls sehr lesenswerte Bände mit Kurzgeschichten. Nur die letzten Fälle liegen noch nicht in deutscher Übersetzung vor.

Alle Fälle spielen rund um die imaginäre Stadt Vigata, die aber stark an die kleine Hafenstadt Porto Empedocle an der Südküste Siziliens erinnert. Camilleri wurde hier geboren und mit seiner Montalbanoreihe setzte er seiner Heimatregion, dem südlichen Sizilien rund um Ragusa und Agrigent ein Denkmal. Jeder einzelne Band enthält nämlich nicht nur einen spannenden Kriminalfall. Er ist stets auch eine wunderbare Entführung auf die größte Insel des Mittelmeers. Sizilianische Geschichte, Kultur, Landschaft und Lebensart machen die Bücher weit über den eigentlichen Krimi hinaus interessant.

Obwohl einige der Fälle bereits verfilmt wurden und auch in Deutschland im Fernsehen liefen, ist Kommissar Montalbano in Deutschland vielleicht nicht ganz so bekannt, wie seine Kollegen Brunetti oder Wallander. Ein Zustand, der sich ändern sollte.

Tipp Nr. 12 - 10.04.2020
Walburga Hülk - Als Paris die Moderne erfand

Die ersten 20 Jahre des 21. Jahrhunderts wurden von vielen Menschen als Jahre des rasanten Wandels, der großen Umbrüche und der kaum mehr nachvollziehbaren Veränderungen empfunden. Das Buch „Der Rausch der Jahre - als Paris die Moderne erfand“ von Walburga Hülk, das wir Ihnen heute empfehlen, befasst sich mit einer Epoche, die von den Zeitzeugen genauso rasant empfunden wurde.

Es sind Jahre 1851-1870, also Jahre des zweiten französischen Kaiserreichs unter Napoleon III. Mit ihm wird Frankreich zum Zentrum der Welt. Ein gigantisches Eisenbahnnetz, Frachthäfen und Fabriken und Bergwerke entstehen in rasender Geschwindigkeit. Das alte Paris wird niedergewalzt. Die moderne Stadt mit den großen Boulevards entsteht. Alles ändert sich rasend schnell. Bahnbrechende Erfindungen werden auf den großen Weltausstellungen gezeigt.

Die Autorin stellt die Entwicklungen anschaulich dar. Sie verknüpft die großen Ereignisse von weltpolitischer Bedeutung mit dem täglichen Leben. Gegensätze kommen zum Vorschein und auch die negativen Seiten wie Unterdrückung und unmenschliche Arbeitsverhältnisse werden nicht übergangen. Viel Raum widmet Hülk wesentlichen Figuren des pulsierenden kulturellen Lebens dieser Zeit. So geht sie immer wieder den Spuren von Victor Hugo, Jacques Offenbach, George Sand, Gustav Flaubert oder den Brüdern Goncourt nach.

Tipp Nr. 11 - 09.04.2020
Mario Vargas Llosa - Harte Jahre

Mit dem heutigen Tipp stellen wir ein Buch vor, das erst seit wenigen Tagen in der deutschen Übersetzung vorliegt: „Harte Jahre“ von Mario Vargas Llosa. Die spanische Ausgabe dieses Werks wurde im vergangenen Jahr von den internationalen Kulturjournalisten sehr positiv aufgenommen. Entsprechend gespannt wurde die deutsche Ausgabe erwartet. Nun ist sie in der allgemeinen Corona-Aufregung etwas untergegangen und dies ist schade.

Harte Jahre greift den Militärputsch in Guatemala von 1954 auf, ein Moment der zum Startschuss der Veränderung eines ganzen Kontinents wurde. Lebhaft und packend erzählt der Literaturnobelpreisträger von 2010 dieses historische Ereignis in seiner ganzen Vielgestaltigkeit. Wer gründet welche Intrigen? Wer sind die Profiteure? Wer bleibt auf der Strecke? Der Peruaner Vargas Llosa ist ein Meister darin, seine Geschichten mit der Geschichte seines Kontinents zu verbinden. Sein neuestes Werk wurde von der katalonischen Zeitung La Vanguardia als überwältigendes Historiengemälde bezeichnet.

Gerade für europäische Leserinnen und Leser ergeben sich ganz neue Aspekte und Eindrücke auf Ereignisse, die aus der Ferne beobachtet wurden und heute fasr vergessen isnd. Und doch waren es Ereignisse, die ganz wesentliche Einflüsse auf den globalen Ost-West-Konflikt hatten.

Tipp Nr. 10 - 08.04.2020
Steffen Mau - Lütten Klein

Mit „Lütten Klein“ von Stefan Mau gilt auch unser heutiger Lesetipp dem Thema DDR und Wiedervereinigung. Stellten wir gestern mit „Der geteilte Himmel“ eine Erzählung vor, so ist es heute ein Sachbuch. Seffen Mau wächst in den siebziger Jahren im Rostocker Neubauviertel Lütten Klein auf. Heute lehrt der Soziologe an der Humboldt-Universität in Berlin.

In seinem Werk nimmt Mau die gesellschaftlichen Brüche in den Blick, an denen sich Verbitterung und Unmut in den neuen Bundesländern entzünden. Mit neuer Freiheit und Konsum kommen auch Enttäuschungen und Erfahrungen sozialer Deklassierung. Wie die Biografie des Autors, teilt sich auch das Buch in zwei Teile. In eine Beschreibung der Gesellschaft der DDR und in eine Darstellung der Jahre nach der Wiedervereinigung. Insgesamt also der großen Veränderungen, die die Menschen bewältigen mussten. Der Autor bedient sich dabei eines geschickten Schachzugs. Als Soziologe analysiert er dieverschiedenen Entwicklungen. Der Blick auf seinen Heimatstadtteil illustriert diese generellen und übergreifenden Erkenntnisse. Dadurch wird Lütten Klein zu einem besonders informativen und gleichzeitig lebendigen Buch. Wer sich überlegt, wieso die Menschen in den neuen und den alten Bundesländern so oft unterschiedlich empfinden, findet in diesem Buch antworten. Genauso aber auch, wenn er sich Gedanken macht, wieso Menschen bestimmter Gruppen in Rostock, Dresden, Mannheim oder München manchmal ganz ähnlich reagieren.

Tipp Nr. 9 - 07.04.2020
Christa Wolf - Der geteilte Himmel

Der heutige Lesetipp gilt einer Erzählung, die bereits 1963 veröffentlicht wurde und heute so lesenswert ist wie im Jahr des Erscheinens: „Der geteilte Himmel“ von Christa Wolf.

Wenn in diesem Herbst der 30. Jahrestag der Wiedervereinigung begangen wird, dann lohnt ein Blick zurück. Zum einen zurück auf den Verlauf der 30 Jahre seit dieser Wiedervereinigung. Diesem Thema wird sich das LeseZeichen im Oktober in einer Veranstaltung mit der Journalistin und Autorin Jana Hensel widmen.

Aber auch zurück in die Zeit der deutschen Teilung. Christa Wolf hat ihre Geschichte in den Jahren 1961 bis 1963, also direkt vor dem Mauerbau angesiedelt. Intensiv werden im Verhalten und Empfinden der beiden Hauptprotagonisten Rita und Manfred und deren Familien die unterschiedlichen Hoffnungen, Empfindungen und Enttäuschungen deutlich, die diese Zeit in der jungen DDR geprägt haben. Die inneren Widersprüche der Zeit werden deutlich.

Das Werk von Christa Wolf löste in der DDR eine intensive kulturpolitische Debatte aus, wie sie in späteren Jahren nicht mehr denkbar gewesen wäre. Und auch in Westdeutschland . entwickelte sich eine große Resonanz. Der Titel „Der geteilte Himmel“ wurde zu einer Metapher des geteilten Landes.

Tipp Nr. 8 - 06.04.2020
Arnold Esch - Historische Landschaften Italiens
                    
- Wanderungen zwischen Venedig und Syrakus

Lesetipp Nr. 8 führt uns durch die „Historischen Landschaften Italiens“. Gerade in den Osterferien war Italien immer ein beliebtes Reiseziel für kulturelle Erkundungen. Der italienische Frühling war schon sonnig und warm. Aber noch nicht zu heiß.

In diesem Jahr gehen wir nur in Gedanken auf Kulturreise. Mit Arnold Esch, dem langjährigen Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom, haben wir einen kundigen Cicerone. Aus der Tiefe seines Wissens schöpfend und spannend erzählend, fesselt er uns auf diesen Wanderungen zwischen Venedig und Syrakus über rund 350 Buchseiten.
Ob auf den Spuren der letzten Bewohner von Ostia, auf Streifzügen zu Wasser durch die Lagunenlandschaft Venetiens oder auf Ausflug in die Landschaft der Frührenaissance – Arnold Esch taucht auf seinen Wanderungen quer durch die vielfältigen Landschaften Italiens tief in die Geschichte des Landes ein. Gekonnt verknüpft er seine Beobachtungen und Forschungen mit den Erkenntnissen historischer und archäologischer Forschung sowie mit der Wahrnehmung italienischer Landschaft in der Malerei und in der Literatur So macht er den Wandel der Landschaft von der Vergangenheit in die Gegenwart nachvollziehbar.

Viele, ganz unterschiedliche Landschaftsbilder kommen zusammen, die einen stimmungsvollen Eindruck vermitteln.

Tipp Nr. 7 - 05.04.2020
Uwe Timm - Die Zugmaus

Mancher dürfte derzeit auf der Suche nach Lesestoff für die Kinder oder die Enkel sein. Unser siebter Lesetipp ist deshalb ein Kinderbuch:

„Die Zugmaus“ von Uwe Timm. Diesem Autor ist das LeseZeichen besonders verbunden, denn er war unser erster Gast, als wir 2018 mit unseren Lesungen begannen. Neben großen Romanen und tiefgründigen Essays gehören auch mehrere Kinderbücher zu seinem Werk. Zeit also, sich mal eines vorzunehmen. Mit der Zugmaus, die 1981 erschien, verhält es sich wie mit vielen Kinderbuchklassikern. Viele Jahre nach ihrem Erscheinen sind sie immer noch lesens- und liebenswert, sie können von Generation zu Generation weiter gegeben werden.

Einfühlsam erzählt Timm die Geschichte des kleinen Mäuserich Stefan. Auf Krümelsuche im Münchner Hauptbahnhof schlüpft er in einen Eisenbahnwaggon. Und hier beginnt für ihn eine spannende Abenteuerreise, auf der er nicht nur das Käseparadies Schweiz und die Baguette-Hauptstadt Paris kennenlernt. Mit einem Zirkuszug gelangt Stefan sogar nach England. Doch auch die Reise lustigste Maus bekommt irgendwann Heimweh …

Tipp Nr. 6 - 04.04.2020
Josef F. Reichholf - Das Leben der Eichhörnchen

Mit „Das Leben der Eichhörnchen“ stellen wir heute ein Sachbuch vor, das etwas aus dem Rahmen der üblichen LeseZeichen-Buchauswahl fällt.

Josef H. Reichholf führt uns in die Welt des Eichhörnchens. Kaum ein Tier begegnet uns in Park, Wald oder im eigenen Garten so oft. Aber was wissen wir eigentlich konkret über diesen kleinen Nager? Warum hält dieses Tier eigentlich keinen Winterschlaf? Stimmt das Gerücht, dass es die Nüsse, die es im Herbst versteckt, im Winter nicht wiederfindet? Wieso sind Eichhörnchen eigentlich immer in Bewegung? Und warum laufen sie immer gleich schnell, wenn sie sich bewegen?

Diese und viele andere Fragen beantwortet Josef F. Reichholf in seinem Buch. Dem langjährige Leiter der Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung München und emeritierte Professor für Ökologie und Naturschutz an der Technischen Universität München gelingt es dabei, wissenschaftlich fundiert und doch unterhaltsam zu schreiben.

Viele Aktivitäten sind im Moment eingeschränkt. Aber spazieren gehen und der Aufenthalt im Garten sind auch jetzt möglich. Und das schöne Wetter lädt gerade dazu ein. Da bietet es sich an, die Eichhörnchen einmal etwas genauer zu beobachten. Und deshalb haben wir dieses Buch ausgewählt.

Tipp Nr. 5 - 03.04.2020
Jan Kross - Wikmans Zöglinge

Mit "Wikmans Zöglinge" von Jan Kross stellen wir heute einen Roman vor, der zu den großen Werken der estnischen Literatur zählt.

Im Mittelpunkt der Geschichte, die Ende der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts angesiedelt ist, stehen die Schüler einer Talliner Abiturklasse. Diese Zeit zwischen den beiden Weltkriegen gilt als die goldene Zeit der drei baltischen Staaten. Die Esten erfreuen sich der jahrhundertelang ersehnten Unabhängigkeit ihres Landes. Erste dunkle Schatten erscheinen allerdings am Horizont und sind in den Zwischentönen des Buchs wahrnehmbar. Für die 40 Schüler ist es aber vor allem eine ereignisreiche Zeit mit all den Herausforderungen des Erwachsenwerdens. Übermütige Schulstreiche, harsche Auseinandersetzungen mit Lehrern und Eltern und erste, zarte Liebesgeschichten bestimmen ihren Alltag. Jäh endet die unbeschwerte Zeit, als der zweite Weltkrieg beginnt. Wobei die Erzählperspektive Eindrücke vermittelt, die dem von der deutschen Geschichtsschreibung geprägten Leser vielleicht gar nicht so bewusst sind.

Jaan Kross gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern Estlands des 20. Jahrhunderts. Mehrmals war er für den Literaturnobelpreis nominiert. Sein Werk ist leider noch nicht komplett in die Deutsche Sprache übersetzt.

Tipp Nr. 4 - 02-04.2020
Aledia Assmann - Der europäische Traum - Vier Lehren aus der Geschichte

Heute gibt es wieder einen Sachbuch-Tipp.

 Wir haben uns für „Der europäische Traum – Vier Lehren aus der europäischen Geschichte“ von Aleida Assmann entschieden.
Sie veröffentlichte dieses Buch im Jahr 2018. Im gleichen Jahr erhielt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jan Assmann den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Damals vermerkte die Autorin: „Symbol der EU ist der Sternenkreis. Lange stand er im Rahmen der offiziellen Rhetorik der EU für die ‚Einheit in der Vielfalt’. Heute müssen wir uns jedoch fragen: Was hält die Sterne noch zusammen? Besitzt Europa ein Leitbild?“

Diese Frage ist heute aktueller denn je. Zeigt sich doch in den letzten Wochen der Krise ganz deutlich, wie schnell darauf verzichtet wird, europäische Lösungsansätze zu finden. Wie rasch Zuflucht in nationale Denkstrukturen und Handlungsmuster genommen wird. In diesem Glauben, dass man alleine besser zurechtkommt als im gemeinsamen Verbund. Aleida Assmann entfaltet in diesem Buch den ‚europäischen Traum’ und meint damit vier Lehren, die die Europäer aus der Geschichte gezogen haben.

Ein lesenswertes Buch. Gerade in diesen Tagen.

Tipp Nr. 3 - 01-04.2020
Selma Meerbaum-Eisinger - Ich bin in Sehnsucht eingehüllt

Lesetipp Nummer 3 ist ein kleiner Gedichtband.

Im letzten Jahr wurden die ergreifenden und fein gesponnenen Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger neu aufgelegt. Das wunderschön gestaltete kleine Bändchen zeigt schon beim in die Hand nehmen, dass man nach einer kleinen Kostbarkeit gegriffen hat. Schlägt man es auf, berührt jedes einzelne Gedicht die Leserinnen und Leser. Immer wieder muss man sich abei vergegenwärtigen, dass die Autorin geraden mal sechzehn oder siebzehn Jahre alt war, als sie ihre Gedanken zu Papier brachte.

Die Geschichte der Dichterin und ihres Werks ist bewegend. Geboren und aufgewachsen in Czernowitz in der Bukowina, schrieb sie mit schrieb sie mit 15 Jahren ihre ersten Gedichte. Als sie 1942 aus dem Ghetto der Stadt in ein ukrainisches Arbeitslager deportiert wurde, gelang es ihr, ihre Gedichte einer Freundin zu geben. Sie selbst starb dort nach kurzer Zeit im Alter von nur 18 Jahren an Typhus.

Ihre Gedichte kamen auf verschlungenen Wegen über Israel und Bukarest nach Deutschland. 1968 wurde ein erstes Gedicht in Ostberlin veröffentlicht. Hilde Domin war es, die 1979 den entscheidenden Anstoss zur erstmaligen Veröffentlichung des Gesamtwerks gab.

Tipp Nr. 2 - 31.03.2020
Helge Hesse - Bilder erzählen Weltgeschichte

Unser zweiter Lesetipp ist sein Sachbuch.

Unser 2. Lesetipp. Heute ist es ein Sachbuch. Und der Autor ist für die Freunde des LeseZeichens kein Unbekannter. 2019 durften wir ihn im MARCHIVUM begrüßen. Er las aus seinem Buch "Hier stehe ich, ich kann nicht anders - in 85 Sätzen durch die Weltgeschichte." Seine lebendige Art zu erzählen begeisterte die Besucherinnen und Besucher.

 Und ebenso lebendig erzählt er zentrale historische Ereignisse in seinem Band "Bilder erzählen Weltgeschichte". Hesse führt anhand von bekannten und unbekannten Gemälden von der Steinzeit bis in die Neuzeit. Manch bekanntes Werk erscheint dem Leser. Daneben gibt viel Neues zu entdecken. Bei jedem Bild verbindet sich Kunstgeschichte und Weltgeschichte. Das Buch ist bereits 2012 erschienen. Aber gerade jetzt, in einer Zeit, in der die Museen geschlossen und die Gemäldesammlungen weggesperrt sind, ist das Blättern in diesem Buch ein besonderer Genuss.

Von der Zeitschrift Damals wurde einer der Geschichtsbände von Helge Hesse 2007 als Buch des Jahres in der Kategorie Unterhaltung ausgezeichnet, obwohl es doch eigentlich ein Sachbuch ist. Genau die Verbindung von fundierter Information und flüssigem Schreibstil, macht den Reiz seiner Bücher aus.

Tipp Nr. 1 - 30.03.2020
Karen Duve - Fräulein Nettes kurzer Sommer


Wir starten unsere Lesetipps mit "Fräulein Nettes kurzer Sommer".

Karen Duves Roman über die junge Dichterin Annette von Droste-Hülshoff und die Welt der letzten Romantiker gibt nicht nur tiefe und vor allem sehr belegbare Einblicke in das Leben der Dichterin. Das Werk ist auch ein beeinduckendes Gesellschafspanorama des 19. Jahrhunderts. Die junge Adelige galt als störrisch und vorlaut und wollte sich so gar nicht in vorgegebene Rollenbilder und Verhaltensmuster einfinden.

In ihrem trocken ironischen Erzählstil bringt uns Karen Duve die Protagonistin ihres Werks und ihre Epoche näher.

Das LeseZeichen hatte Karen Duve im letzten Jahr übrigens eingeladen, aus diesem Roman in Mannheim zu Lesen. Leider hat dies aus Termingründen aber nicht geklappt. So stellen wir dieses schöne Buch nun auf diesem Weg vor.
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