Vimmerby

 

4. Station: In der Heimat von Astrid Lindgren - Småland/Schweden
30. Mai 2020

Fällt das Wort Schweden, kommen einem schnell Bilder von unberührter Landschaft, idyllischem Dorfleben, langen, hellen Sommernächten, tief verschneiten Winterlandschaften und wunderschönen Bräuchen rund ums Weihnachtsfest in den Sinn. Viele dieser Vorstellungen entstehen aus Erinnerungen an die Bücher der weltberühmten Kinderbuchautorin Astrid Lindgren. Wohl kaum eine Schriftstellerin hat die Wahrnehmung eines Landes in der Welt so geprägt, wie es Lindgren mit ihrem Heimatland Schweden gelang. Grund genug für das Lesezeichen einmal in der Heimat dieser Schriftstellerin Station zu machen, die seit nunmehr 75 Jahren für viele Buben und Mädchen zu einer wichtigen Begleiterin durch die Kindheit geworden ist.

Wir reisen in die südschwedische Region Småland. Mit roten Bauernhöfen, dunklen Wäldern und unzähligen Seen zieht ein wahres Bilderbuchschweden an unseren Augen vorbei. Hier, in der Kleinstadt Vimmerby, wurde Astrid Lindgren 1907 als Bauerntochter geboren. Hier erlebte sie gemeinsam mit ihren drei Geschwistern eine unbeschwerte Kindheit. Viele Erlebnisse aus dieser Zeit haben sich später in ihren Büchern wiedergefunden. Das führt dazu, dass vieles in Vimmerby und der Umgebung den Leserinnen und Lesern ihrer Bücher bekannt vorkommt. Natürlich hängt das auch mit den über 50 Filmen und Serien zusammen, die aus dem schier unerschöpflichen Werk der großen schwedischen Autorin hervorgegangen sind. Immer wieder war die Stadt, die Astrid Lindgren so vielfältige Inspirationen gab, authentische Kulisse und belebter Drehort. Durch die Klemens gränd ging Michel aus Lönneberga beispielsweise mit seiner Familie, nachdem ihn der Arzt aus der Suppenschüssel befreien musste. Nur wenige Häuserecken weiter entdeckt man die Straße, in der Lotta Radfahren lernte. Und natürlich erscheint auch der Marktplatz vertraut. Hier war wieder Michels Familie unterwegs.
Zu besichtigen ist das Geburtshaus von Astrid Lindgren. Ihr ganzes Leben lang kam sie regelmäßig nach Vimmerby zurück. Ihr Bruder hatte den Hof vom Vater übernommen. Die große Familie feierte hier ihre Familienfeste und 1960 richtete Astrid Lindgren das Elternhaus wieder so her, wie es in der Zeit ihrer Kindheit ausgesehen hatte. Auf keinen Fall wegfallen darf der Blick in den Garten. In der großen, jahrhundertealten, hohlen Ulme spielte die kleine Astrid stundenlang. Jahre später setzte sie ihr als Pippi Langstrumpfs Limonadenbaum ein literarisches Denkmal.
Eine Ausstellung über die Autorin, ihr Leben und ihr Werk beendet den Rundgang.
Bei diesem Gang durch das Haus wird auch in Erinnerung gerufen, dass Astrid Lindgren weit mehr war als eine erfolgreiche Kinderbuchautorin. Kritisch setzte sie sich mit der Gesellschaft auseinander und immer wieder griff sie mit engagierten Beiträgen in öffentliche Debatten ein. Nachdrücklich, aber immer mit Humor und Wärme, kämpfte sie für die Natur, für die Rechte von Kindern und für den Tierschutz. Wer das Umfeld erlebt, in dem sie aufwuchs, wundert sich nicht, dass gerade diese Themen Astrid Lindgren so sehr bewegten. Und wenn man ihr Werk genau liest, wird ganz offenkundig, dass diese Ideale auch die Helden ihrer Kinderbücher prägen. Es sind selbstbewusste und selbständige Kinder, die viele Freiheiten genießen und die die Natur und die Tiere ihrer Umgebung respektieren. Die Bücher von Astrid Lindgren wurden in über 100 Sprachen übersetzt. Es ist deshalb sicherlich nicht übertrieben, wenn man daraus schließt, dass die Autorin aus dem Norden Europas mit ihren Werten Generationen von Kindern in ganz Europa und darüber hinaus erreicht und geprägt hat.
Wer noch mehr über das Leben von Astrid Lindgren in ihren Kindertagen wissen möchte, dem empfehlen wir das kleine Büchlein „Das entschwundene Land“. Hier erzählt Astrid Lindgren die Liebesgeschichte ihrer Eltern. Da diese Geschichte nicht mit der Hochzeit endet, sondern auch gemeinsame Ehejahre erfasst, ist diese wunderschöne Erzählung auch ein herrliches Dokument ihrer Kindheit.
Ein zweites lesenswertes Originaldokument ist der kleine Bildband „Mein Småland“. Gemeinsam mit der Autorin Margareta Strömstedt begibt sich Astrid Lindgren auf eine Fotoreise und erinnert sich ihrer Jugend. Schnell wird dabei auch deutlich, wie viele Dinge ganz konkret Eingang in ihre Erzählungen gefunden haben. Sei es ein Geschäft, in dem Pippi ihre Bonbons kaufte oder sei es der schon angesprochene Marktplatz. Ganz besonders dürfen sich die Leserinnen und Leser an zahlreichen Fotos aus Lindgrens privaten Fotoalben freuen.
Ein beliebter Anlaufpunkt in Vimmerby für die großen und kleinen Lindgrenfans aus aller Welt ist der Freizeitpark „Astrid Lindgrens Värld“. Hier werden täglich ihre Geschichten inszeniert. Zahlreiche Kulissen aus den verschiedenen Filmen sind aufgebaut und mehrere Originalschauplätze nachgebaut. Die Besucherinnen und Besuchern tauchen in das Leben der Figuren ihrer Lieblingsgeschichten ein, Rutschen von Karlssons Dach oder stehen auf der Veranda der Villa Kunterbunt und warten auf Pippi Langstrumpf.

Zwei Abstecher seien noch empfohlen: nach Bullerbü und auf den Katthult Hof. Nur wenige Kilometer außerhalb von Vimmerby liegt das kleine Dorf Svedstorp mit dem Nordhof, dem Mittelhof und dem Südhof. Hier verbrachten Lisa und Lasse, Bosse und Britta, Inga und Ole, die Kinder von Bullerbü, ihre behütete und unbeschwerte Kindheit. Astrid Lindgren kannte die Höfe, denn im Mittelhof war ihr Vater aufgewachsen. Es fügte sich schön, dass viele Jahre später genau der Platz, den Astrid Lindgren vor Augen hatte, als sie ihre liebenswerten Geschichten aus Bullerbü schrieb, Drehort der Filmaufnahmen werden konnte.

Weiter gehts zum Katthult Hof, auf dem der sympathische Lausejunge Michel seine unvergleichlichen Streiche ausheckte. Dieser findet sich 15 km von Bullerbü entfernt in Gibberyd. Zu Verwechslungen führt manchmal, dass es in der Gegend auch den Lönneberga gibt. Die Filmaufnahmen fanden aber hier statt. Schlendert man über das Gelände, wartet man jeden Augenblick darauf, dass Michel um die Ecke biegt, gefolgt von seinem wütenden Vater Anton, der sich über einen neuen Streich aufregt. Alles sieht noch so aus, wie bei den Dreharbeiten vor nunmehr bald 50 Jahren. Da steht der Tischlerschuppen, in den er nach seinen Streichen gesperrt wurde und in dem er Männchen um Männchen schnitzte. Die kleinen Kunstwerke sind selbstverständlich auch noch da. Mitten im Hof steht der Fahnenmast, an dem er seine kleine Schwester Ida einmal hochzog und so geht es weiter. Viele Erinnerungen werden wach.

Im Internet ist ein guter Ausgangspunkt für die Reise nach Vimmerby die Seite der Stadt, von der Sie zu vielen interessanten Punkten kommen.
Nach Vimmerby

Astrid Lindgren verlies ihre Heimatstadt im Alter von achtzehn Jahren unglücklich verliebt und schwanger. Die unbeschwerte Kinder- und Jugendzeit war vorbei. In Stockholm wollte sie einen Neuanfang wagen. Von Vimmerby nach Stockholm sind es mit dem Auto rund dreieinhalb Stunden. Im Internet liegt die schwedische Hauptstadt aber nur einen Klick entfernt.

Und deswegen machen wir zum Schluss unserer Reise noch einen Abstecher zu einem Ort, an dem man Astrid Lindgren ganz besonders nahe sein kann: Die Wohnung am Dalgatan 46 in Stockholm. 1941 zog sie mit ihrer Familie hier ein. Bis zu ihrem Tod im Alter von 94 Jahren lebte sie 61 Jahre in diesen Räumen. Hier entstanden alle ihre Kinderbücher. Hier entstanden auch ihre politischen und gesellschaftskritischen Beiträge. Es sind noch ihre Möbel und Bücher. Die Bilder, die sie ausgesucht hat, hängen an den Wänden und ihre alte, mechanische Schreibmaschine steht noch bereit. Man wartet darauf, dass die große Schwedin jeden Moment eintritt, sich hinsetzt und ihre nächste Geschichte niederschreibt.

Da viele Smålandurlauber mit dem Flugzeug in Stockholm ankommen und dann mit dem Mietwagen weiterfahren, ist dieser lohnende Abstecher auch bei der reellen Europareise eine Option. Voranmeldung ist aber dringend notwendig, da die Wohnung jeden Tag nur eine begrenzte Besucherzahl aufnehmen kann.

Noch viele weitere Informtionen über Astrid Lindgren, ihr Werk und ihr Leben finden sie auf der Seite der Gesellschaft, die ihren Nachlass pflegt:
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