„Vom Mut einer Frau in einer Welt, die ihr keinen Platz mehr lassen will – von Anja Kampmann eindringlich und bildgewaltig erzählt“- so leitet der Hanser Verlag seine Ankündigung des Romans „Die Wut ist ein heller Stern“ ein. Mutig ist nicht nur die Protagonistin dieses Buchs, mutig ist auch dessen Autorin. So stellte sie sich schon schwierigen Themen wie Krieg, Flucht und Völkermord. Und mit ihren Romanen führt sie die Leserinnen und Leser in Bereiche, in der man eine Autorin, die auch für filigrane Lyrik bekannt ist, nicht unbedingt vermuten würde. In ihrem ersten Roman ging es hinaus auf eine Ölplattform und auch im neuen Werk findet man sich plötzlich wieder auf hoher und rauer See. Nämlich auf einem Walfänger.
Los geht es aber in einem ganz anderen Milieu: im Varieté auf der Reeperbahn. Hedda hat ihren Traum verwirklicht und sich ihren Platz als Artistin erkämpft. Im Jahr 1933, hier setzt die Erzählung ein, beginnt aber die Welt aus den Fugen zu geraten. Immer mehr braune und schwarze Uniformen tauchen in den Vorstellungen auf und Schritt für Schritt werden die Freiräume weniger. Der Kampf beginnt. Dabei geht es für Hedda und ihre Freunde bald nicht mehr nur um die Freiheit. Das blanke Überleben wird zum Ziel.
Auf überzeugende Weise verknüpft die Anja Kampmann Fiktion und Realität. Hedda und ihr Lebensweg sind fiktiv. Ihr Umfeld und viele Charaktere, wie beispielsweise der Varietébesitzer Arthur Wittkowski, sind es dagegen nicht. Anja Kampmann hat dafür intensiv recherchiert und vor allem das Oral-History-Archiv der Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte genutzt. Mit den Zeitzeugen-Interviews hat sie auf eine Quellenart vertraut, die für sie schon einmal die Basis für eine bemerkenswerte Arbeit war. Für ihr Hörspiel „Kein Haus aus Sand“ griff sie auf das “European Archive of Voices” zurück. Und wie im Hörspiel, gelingt es ihr auch im Roman, eine lebendige Atmosphäre zu erzeugen. In ihrer von der Lyrik geprägten leichten und prägnanten Sprache wird die bittere Not der Weltwirtschaftskrise, über die so oft geschrieben wurde, plötzlich fühlbar, die Vernichtung „unwerten Lebens“ wird greifbar.
Anja Kampmann gehörte 2018 mit ihrem Debütroman zu den ersten Gästen des Lesezeichens und wir freuen uns, sie auch mit ihrem neuen Werk wieder zu einer Lesung in Mannheim begrüßen zu dürfen.