Museum Plantin-Moretus

 

2. Station: Museum Plantin-Moretus – Antwerpen/Belgien
14. Mai 2020

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Die flämische Hafenstadt Antwerpen hat in ihrer Geschichte große Maler hervorgebracht. Rubens, van Dyck und die Brueghels, um nur die bekanntesten zu nennen. Auch als Zentrum des Diamantenhandels ist sie weltbekannt. Mit Literatur wird sie nicht sofort verbunden und doch führt uns unsere zweite Reisestation hierher.
Mitten im wunderschön erhaltenen historischen Stadtzentrum erwartet uns nämlich im Plantin-Moretus-Museum die einzige erhaltene Buchdruckerei aus der Zeit der Renaissance und des Barock. Christoph Plantin gründete sie 1555 und baute innerhalb kurzer Zeit sein Unternehmen zu einer der größten Druckereien Europas auf. Schon nach wenigen Jahren konnte er mit dem Bau des Hauses „De Gulden Passer“ (Zum Goldenen Zirkel) beginnen, das wir gerade betreten haben. Ein prächtiges Patizierhaus, das Wohnen und Arbeiten unter einem Dach vereinte. Wobei „ein Dach“ eine kleine Untertreibung ist. Es ist ein beeindruckender Gebäudekomplex, der im Innenhof einen wunderschön angelegten Garten umschließt. Schon zu Lebzeiten Plantins war diese grüne Oase inmitten der Stadt berühmt und wurde sogar von Königen besucht.
Achtzig Mitarbeiter arbeiteten in diesem Gebäude an sechzehn Druckpressen. Beinahe kann von der ersten industriellen Buchproduktion gesprochen werden. Wie damals üblich, war eine Druckerei gleichzeitig Verlag. Plantins Haus entwickelte sich zu einem Treffpunkt der Humanisten und Gelehrten. Über tausend Schriften waren es bis zu seinem Tod 1589. Darunter der erste Atlas der Geschichte, in dem der Geograph Abraham Ortelius alle um 1570 bekannten Karten der Welt in einem Buch zusammenfasste. Oder das mit wunderschönen Zeichnungen versehene Kräuterbuch des kaiserlichen Leibarztes Rembert Dodoens. Ein Grundstein der wissenschaftlichen Botanik.
Jan Moretus, dem Schwiegersohn des Gründers, und vielen weiteren Nachkommen gelang es, die Erfolgsgeschichte fortzuführen. Insgesamt waren es neun Generationen, die hier lebten und arbeiteten, bevor das gesamte Areal 1876 durch die Stadt Antwerpen erworben und zum Museum umgewandelt wurde.

Plantin startete sein Unternehmen rund hundert Jahre nachdem Johannes Gutenberg in Mainz am Rhein den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden hatte. Eine Erfindung, die die Welt für immer veränderte. Wissen und Meinungen konnten plötzlich schnell verbreitet werden. Informationen wurden für viele Menschen zugänglich und unterschiedlichste Institutionen bedienten sich schnell der neuen Technik. Auch eine so vielfältige literarische Szene, wie wir sie kennen und pflegen, hätte sich ohne die Möglichkeiten des Buchdrucks nicht entwickeln können. Deshalb darf diese Station, die sich weniger mit den Autoren und Inhalten der Bücher als mit ihrer Produktion und Verbreitung befasst, auf unserer Reise nicht fehlen.

Den wirtschaftlichen Erfolg dieser technischen Revolution sollte aber nicht ihr Initiator ernten. Gutenberg selbst musste seine Druckerei inklusive aller Rechte an den begonnenen Büchern an seine Gläubiger übergeben und nach einiger Zeit klein wieder anfangen. Der Aufbau einer Druckerei forderte hohe Investitionen. Papier war teuer und wertvoll. Es musste vorfinanziert werden. Risikokapital wurde benötigt und der Erfolg war nicht sicher. So wundert es nicht, dass die ersten Zentren des Buchdrucks in den reichen Handelsmetropolen des 16. Jahrhunderts entstanden. Venedig war vorne dabei. Aber auch Antwerpen gehörte mit seinem Hafen, der heute der zweitgrößte in Europa ist, zu den wichtigen und reichen Handelsstädten. Und genau deshalb zog es den gebürtigen Franzosen und gelernten Buchdrucker Christoph Plantin hier her.

Die Früchte seiner Gründung sind heute noch beim Museumsrundgang zu genießen. Die vielen wertvollen Möbel und Kunstwerke in der großzügigen Patrizierwohnung zeugen vom Reichtum, der hier erwirtschaftet wurde. Die Druckerei ist noch komplett eingerichtet. Zwei Druckpressen gehen auf die Gründungszeit des Unternehmens zurück und sind die ältesten erhaltenen Pressen der Welt. Dazu kommt die Bibliothek mit rund 25.000 alten Bänden. Natürlich gibt sie einen fast vollständigen Überblick über die Buchproduktion des Hauses. Aber auch viele andere Werke und zahlreiche Handschriften stehen hier. Denn diese Bibliothek diente als Arbeitsbibliothek, beispielsweise bei der Vorbereitung neuer Textausgaben von Autoren der Antike oder der Werke der Kirchenväter.
Das gesamte Ensemble ist so besonders, dass es 2005 als erstes solitaires Museum in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Andere Museen auf der Liste wurden stets im Zusammenhang mit einem großen Areal in die Liste eingetragen. Die vatikanischen Museen beispielsweise als Teil von Vatikanstadt oder der Louvre als wichtiger Bestandteil des Weltkulturerbes Pariser Seineufer.
Und hier geht es ins Museum:
Zum Museum Plantin-Moretus
Und wenn Sie schon in Antwerpen sind, nutzen Sie die Gelegenheit und schauen Sie sich auch noch andere Kulturschätze dieser Stadt an. Beispielsweise das Rubens Haus mit Werkstatt und Wohnung dieses großen Künstlers. Er arbeitete übrigens eng mit Moretus zusammen und illustrierte zahlreiche Bücher des Verlags.
Zum Rubenshaus
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